Zwei-Sinne-Prinzip beim FIS

Lautsprecher, Displays und das Zwei-Sinne-Prinzip

Bei der S-Bahn Rhein-Neckar sind nun die neuen Triebzüge des Typs Mireo (oder auch Baureihe 463) vom Hersteller Siemens im Einsatz. Worüber die Behinderten-Vertreter in der Region mit DB Regio und mehr noch den Aufgabenträgern sprechen (wollen)? Die Liste ist lang, derzeit 23 Punkte.

Jede einzelne Barriere hat ihre Auswirkungen. Eine Reihenfolge nach Wichtigkeit sehe ich hier deshalb nicht. Auf dieser Seite geht es um Lautsprecher, Displays und das Zwei-Sinne-Prinzip.

"Die barrierefreie Nutzung des öffentlichen Verkehrs- und Freiraumes nach DIN 18040-3 sowie von Räumen innerhalb von Wohnungen und Gebäuden (18040-1 und 2) erfordert eine Informationsübermittlung, die mindestens zwei der drei Sinne Sehen, Hören und Tasten anspricht." Das steht auf einer Website zur DIN und so ähnlich an vielen weiteren Stellen.

In den neuen Triebzügen gibt es Lautsprecher für Durchsagen. In den neuen Triebzügen gibt es Monitore zur Anzeige der folgenden Bahnhöfe. Beides wird in den Lastenheften und Normen für neue Züge verlangt. Für mache Menschen ist damit das "Zwei-Sinne-Prinzip" schon umgesetzt.

Wir sehen das anders. Beispiel ist ein Halt einer S-Bahn in einem Bahnhof. Die Abfahrtszeit ist längst heran. Unruhe breitet sich unter den Fahrgästen aus. "Was ist wohl los, wieso geht es nicht weiter?" Viele kennen das. Dann kommt die so vertraute Durchsage, daß sich die Weiterfahrt wegen einer Überholung durch einen anderen Zug verzögert. Viele sind nun beruhigt. Erfreulich, aber was ist mit Zwei-Sinne?

Auf dem Display war von "wegen Überholung" nichts zu sehen. Nur die überschrittene Abfahrtszeit. Wer die Durchsage nicht hören und verstehen kann, der hat nichts davon. Standard-Durchsagen ohne Übernahme des Inhalts auf dem Display ist eben nur für manche Menschen bestimmt.

Wenn auf dem Display während einer Durchsage ein Symbol gezeigt würde, daß da gerade eine Durchsage erfolgt, dann könnte das der Gehörlose immer noch nicht hören. Aber der Schwerhörige würde die Ohren spitzen und vielleicht dann doch etwas mitbekommen. Oder er könnte danach einen Mitreisenden fragen und - nach der Corona-Masken-Zeit - von den Lippen ablesen. Ein nicht zu kleines Lautsprecher-Symbol auf dem Display während der Durchsage zeigen würde schon etwas helfen. Das fehlt bisher.

Wenn eine Standard-Durchsage ausgelöst wird, könnte ein fähigeres Fahrgastinformationssystem (dafür steht die Abkürzung FIS in der Überschrift) sowohl einen Sound abspielen als auch eine Textzeile auf das Display einspielen. Dann würden Fahrgäste über zwei Sinne angesprochen - und ein paar mehr würden tatsächlich erreicht. Auch das fehlt bisher.

Wird bei Ihnen in der Region im Verkehrsmitteln in diesem Sinne auf das "Zwei-Sinne-Prinzip" gesetzt? Wenn ja: gut. Wenn nein: dann könnten Sie an Hand dieses Beispiels erklären, wieso das eben nicht im Sinne der Barrierefreiheit und dem Zwei-Sinne-Prinzip gelöst ist. "Nicht nötig gemäß der TSI PRM", diese Antwort stimmt und kann kommen. Nehmen Sie das als Beleg, wie unwichtig Ihrem Gegenüber Barrierefreiheit in Wirklichkeit ist.

Technisch nicht machbar wäre heutzutage nicht einmal, gesprochenen Freitext auf das Display zu bringen. Daheim hat manch einer einen PC und Diktier-Software. Die macht genau das: der ins Mikrofon gesprochene Text wird in Buchstabenfolgen umgesetzt und die dann auf einem Bildschirm angezeigt. Selbst Freitext müßte also nirgends zusätzlich eingetippt werden, ein üblicher Bürorechner hat inzwischen dafür die Rechenleistung.

Display in einem Mireo der S-Bahn

Das Bild zeigt den großen Bildschirm für Anzeigen des Fahrgastinformationssystems nahe der Universal-Toilette im Mittelwagen 94 80 0863 049-3 D-DB und wurde am 17. Juni 2021 aufgenommen. Das Display ist nicht aus, es zeigt in seiner rechten oberen Ecke die aktuelle Uhrzeit 17:00 Uhr. Ohne Daten nutzt das Display allerdings wenig, diesmal haben nicht nur die Blinden den Nachteil. Die viel zu kleine Darstellung der Uhrzeit ist schon wieder ein anderes Problem.

Wie lange wird es noch dauern, bis die Behinderten darauf vertrauen dürfen, daß Barrierefreiheit von Anfang an mit gedacht wird? Ohne frühzeitige Beteiligung solcher Organisationen der Behinderten, die sich mit der Thematik schon beschäftigt haben, wird das nichts.

Wer jetzt etwas nachschlagen will - zum "Zwei-Sinne-Prinzip" siehe
DIN 18040 - Zwei-Sinne-Prinzip


(bk, 2021-08-03)

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